Es wäre historisch nicht korrekt, würden wir behaupten, dass Augustinus unseren Orden gegründet hat. Jene Gemeinschaften, die Augustinus im 5. und 6. Jahrhundert in Nordafrika gegründet hatte oder die unter seiner Ordensregel zusammenlebten, gingen zum Teil im Zuge der Völkerwanderung oder bei der Islamisierung Nordafrikas unter oder wurden nach Italien verdrängt. In seiner heutigen Form wurde der Augustinerorden durch Papst Alexander im 13. Jahrhundert gegründet. Dieser rief verschiedene Gruppen von Eremiten – zunächst in der Toskana, dann auch darüber hinaus – zusammen und gab ihnen die Regel des hl. Augustinus. So gründete er den Bettelorden (sogenannte Mendikantenbewegung) der Augustiner-Eremiten.
Dennoch nennen wir Augustinus unseren Ordensvater. Denn seine Ordensregel, die er im 5. Jahrhundert jungen Gemeinschaften von Frauen und Männern gab, die zusammen ein gottgeweihtes Leben führen wollten, ist eine der Grundlagen unseres Zusammenlebens: ein Orientierungspunkt auf dem Kompass unseres Ordens. Diese Regel sollen wir regelmäßig hören und lesen – und so unser Leben immer wieder daran ausrichten.
Auch unsere Gründungsgeschichte – die Union der Toskanischen Eremitengruppen – gehört zu diesen Orientierungspunkten für uns Augustiner. Diese neu gegründete Gemeinschaft wurde von den Päpsten gezielt in die aufblühenden Metropolen und Städte Europas entsandt – dorthin, wo die Seelsorge durch die etablierten Strukturen und Systeme der Kirche nicht abgedeckt werden konnte. Noch heute sprechen wir davon, dass unsere Pastoral vor allem den Bereichen gelten soll, die durch die Strukturen sich verändernder Pfarreien und Diözesen nicht im direkten Fokus sind. Beispiele davon stellen wir auch auf diesen Seiten vor.
Wie Augustinus durch die Worte der Schrift angerührt wurde, wie er sie immer wieder meditierte, sie erwog und ausgelegt hat, so sind auch wir auf die Hl. Schrift als weiteren Orientierungspunkt unseres Zusammenlebens und Arbeitens verwiesen. Die Hl. Schrift in ihrer Gesamtheit ist Grundlage des pastoralen Handelns auch heute. Wir erfahren darin als Einzelne und Gemeinschaften immer wieder Kräftigung in unserem Tun mit und bei den Menschen, die sich uns anvertrauen und auch anvertraut werden.
Unser Ordensvater war einer, der viel geschrieben hat. Kein Wunder also, dass wir auch aus seinen reichhaltigen Schriften immer wieder Impulse erhalten, die im Heute deutlich werden lassen, wie wir als Augustiner leben können. Seine Bekenntnisse regen an zur eigenen Reflexion des Lebens mit Gott und in der Gemeinschaft. Seine Predigten, die in Vielzahl überliefert sind, können Inspiration für das eigene Studium und die Betrachtung der Hl. Schrift sein. Seine Briefe, in denen er sich mit den Fragen seiner Zeit und der Menschen auseinandergesetzt hat, geben auch heute noch die Möglichkeit, nicht nur sein Denken, seine Seelsorge und sein Handeln zu erkennen. Auch für uns können sie Anreiz und Impuls sein für das eigene glaubende Denken, für unsere Seelsorge und für unser Tun in dieser Welt – im Kontakt mit dem, was aktuell um uns herum geschieht und sich entwickelt.